- Ein Bericht von Lisa Raber -
Es handelt sich hierbei um eine der größten Freiluftveranstaltungen Frankreichs, die in einem ehemaligen Steinbruch in der Nähe der Schlachtfelder von Verdun stattfindet. Dieses Spektakel erinnert in beeindruckender Weise an die Schrecken des Ersten Weltkrieges, zeigt Einzelschicksale auf und fragt auch nach den Ursachen des Krieges. Im Finale wird sehr emotional die Brücke zur heutigen Zeit geschlagen: Aus den ehemaligen Feinden Deutschland und Frankreich sind Freunde geworden, durch die Erweiterung der EU rücken die Länder immer weiter zusammen, und warum sollte man nicht versuchen, in Frieden zu leben, wenn doch alle Menschen auf diesem Planeten gleich sind, egal, welcher Nation sie angehören oder welche Hautfarbe sie haben. Außerdem bekommt auch Verdun im Finale, abgerundet durch ein spektakuläres Feuerwerk, eine neue Bedeutung: Diese Stadt, ehemals Symbol für unnötig vergossenes Blut, ist im Laufe der Zeit zu einem Zentrum des Friedens und der Versöhnung geworden.
Dieses einzigartige Projekt wurde 1996 erstmals anlässlich des 80. Jahrestages der Schlacht von Verdun vom Heimatverein „Connaissance de la Meuse“ aufgeführt. Mittlerweile gibt es mehr als 700 Freiwillige jeden Alters, die dieses Spektakel realisieren. Neben Teilnehmern aus Frankreich, Luxemburg und Belgien nehmen auch junge Menschen aus Deutschland teil. Die Stiftung für die deutsch-französische Zusammenarbeit unterstützt hierbei schon seit Jahren die Teilnahme saarländischer Jugendlicher.
Das Spektakel findet jedes Jahr an sechs Wochenenden in den Sommermonaten Juni, Juli und August in den ehemaligen Steinbrüchen von Haudainville, einem Vorort von Verdun, statt. Vorgelagert sind noch zwei bis vier Proben, so dass die von uns heiß ersehnten Verdun-Wochenenden schon im Mai beginnen. Die Proben sind nur eintägig samstags. Da es aber generell immer sehr spät wird - die Proben beginnen wegen der Lichteffekte oft erst bei Einbruch der Dunkelheit - übernachten wir meistens, so dass wir erst sonntagmorgens wieder in Saarbrücken ankommen. Bei den Aufführungen, die freitags und samstags stattfinden, fahren wir schon am späten Freitagnachmittag los. Abfahrtsort ist die Bushaltestelle vor der Ludwigskirche an der Staatskanzlei in Saarbrücken. Die anderthalb Stunden Fahrt vergehen meist wie im Fluge. Manch einer schläft schon einmal in weiser Voraussicht vor, die meisten aber tauschen die Neuigkeiten der Woche in regen Gesprächen aus, denn viele haben sich erst durch Verdun kennengelernt und sehen sich eben nur an den Verdunwochenenden.
Nach der Ankunft beziehen wir unsere Schlafstätten, sprich einfache Holzhütten, immerhin sogar mit Strom ausgestattet, oder Zelte. Matratzen sind vorhanden. Mit einem kuscheligen Schlafsack kann man es sich also richtig schön gemütlich machen. Eine warme Jacke sollte man aber auch nicht zu Hause vergessen, da es im Steinbruch nachts sehr neblig und auch kalt werden kann. Und auch regenfeste Kleidung ist auf jeden Fall empfehlenswert, da bei jedem Wetter geprobt wird. Sanitäre Anlagen befinden sich vor Ort.
Unsere drei täglichen Mahlzeiten nehmen wir in einem kleinen Speisesaal zu uns, der sich auf dem Gelände unserer Unterkunft befindet. Für manch einen ist die französische Küche etwas ungewohnt, aber man sollte beachten, dass das Küchenteam sich viel Mühe gibt, es allen recht zu machen und - wie wir alle - freiwillig arbeitet. Zugegeben, das Frühstück fällt wie überall in Frankreich etwas kleiner aus, Mittagessen oder Abendessen beinhalten meistens aber noch eine Vor- und Nachspeise, ganz zu schweigen vom Käse, der auf Wunsch nie fehlt.
Nach dem Abendessen gegen 19.00 Uhr bleibt noch Freizeit bis zum Proben- bzw. Aufführungsbeginn, um das riesige Terrain des Steinbruchs zu erkunden, Boule zu spielen oder einen Einkaufsbummel in das nahe gelegene Cora zu unternehmen. Wer noch nicht satt sein sollte, kann sich dann hier noch mit Croissants voll stopfen oder vorsorglich für den kleinen Hunger auf Ungesundes andere Sachen kaufen, denn die Nächte in Verdun fallen allein schon mal durch die Proben länger aus. Zum Schlafen sind sie also meist zu kurz, so dass die Betreuerin schon einmal ein paar Probleme haben kann, die Gruppe morgens um 7.00 zum Aufbruch nach Hause zu bewegen.
Ihr könnt in verschiedene Rollen schlüpfen: die Jungs sind am Anfang des Stückes entweder Adelige oder Bauern und stürzen sich dann bei Ausbruch des Krieges als Soldaten mit Gewehr und schweren Stiefeln ins Schlachtgetümmel. So manche Requisite stammt sogar wirklich noch aus Kriegszeiten. Kostüme gibt es mehrere hundert, das Finale spielen wir aber momentan in unserer normalen Kleidung.
Die Mädchen streiten sich am ersten Wochenende um das schönste Kostüm als Bourgeoise oder Städterin. Aber nur die Hälfte des weiblichen Geschlechts darf in solch vornehme Rollen schlüpfen und sich auch noch mit riesigen Hüten und sonstigem Beiwerk schmücken. Die andere Hälfte geht aber auch nicht leer aus. Ich bevorzuge sogar die Rolle als Bäuerin, weil man es sich in dieser Kulisse gemütlicher machen kann und vor allem nettere Menschen kennen lernt. Gestylt werden wir sowieso alle von den Friseusen, auch wenn die Leute früher mit Sicherheit nicht so viel Haarspray benutzt haben.
Es entstehen Euch durch die Teilnahme keine Kosten, da die „Connaissance de la Meuse“ die Kosten für Bus, Verpflegung und anfallende Eintrittsgelder übernimmt und der Betreuer freundlicherweise von der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit bezahlt wird. Lediglich eure Kauforgien im Cora oder in der Stadt bzw. sonstige Sachen in der Freizeit müsst ihr selbst finanzieren. Eigentlich ist Verdun so etwas wie Kurzurlaub, aber ein bisschen Arbeit am Abend zählt natürlich schon dazu.
Die Teilnehmer melden sich auf deutscher Seite bei der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit an. Die Adressen werden dann weitergegeben nach Frankreich. Ein Betreuer, der die französische Sprache beherrscht, sich gerade auch um die jüngeren Teilnehmer kümmert und Aktivitäten in der Freizeit organisiert, ist an jedem Wochenende mit dabei.
Neben teilweise wirklich anstrengenden Proben habt ihr natürlich auch noch genügend Zeit für euch selbst. Während den Aufführungswochenenden steht uns ja quasi der ganze Samstag zur Verfügung. Das heißt, hier können wir erst mal ausschlafen und dann je nach Lust und finanziellen Mitteln kleinere Ausflüge unternehmen. Unser diesjähriger Ganztagesausflug ging in ein kleines regionales Bauernmuseum, an den Lac de Madine, wo wir picknickten und in eine Madeleinefabrik inklusive Kostprobe, in der noch alles in Handarbeit durch die Familie hergestellt wird. Ein paar besonders Geschichtsinteressierte waren etwas enttäuscht, dass wir nicht zu Kriegsschauplätzen gefahren sind. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Erstens wurde der Ausflug von der französischen Jugendorganisation veranstaltet, sodass wir keinen Einfluss darauf hatten. Zweitens hat das Departement Meuse weitaus mehr zu bieten als nur verwüstete Schlachtfelder. Und am entscheidensten ist wohl, dass wir in den vergangenen Jahren sehr viel zum Ersten Weltkrieg besichtigt haben, sprich Fleury, le Mémorial de Verdun, le Centre mondial de la paix, Douaumont, Varennes en Argonne, der unterirdische Krieg von Vauquois , den Kaisertunnel und natürlich sehr viele Soldatenfriedhöfe.
Wir sind eine bunt gemischte Gruppe ca. zwischen 13 und 24 Jahren. Es gab schon ganze Schulklassen oder Theater-AGs, aber auch als neue Einzelperson schließt man ganz schnell Freundschaften. Neben jährlich neuen Jugendlichen gibt es zum Glück auch noch die Gruppe der „alten Hasen“. Sie sind schon von Anfang an jährlich dabei und natürlich sehr erfahren!
Wenn du offen bist gegenüber einer neuen Kultur, neue Menschen kennen lernen willst oder dich für die deutsch-französische Geschichte interessierst, solltest du auf jeden Fall einmal mitfahren. Du brauchst auch keine Theatererfahrungen, denn wir sind ja schließlich nur Statisten und fallen in der großen Menge höchstens mal durch ein tolles Kostüm auf! Französische Sprachkenntnisse sind natürlich von Nutzen, wenn du neue Kontakte vor Ort knüpfen möchtest, aber keine Voraussetzung. Die Teilnahme wäre aber auch eine tolle Gelegenheit für dich, einmal "life" französisch zu reden und somit deine Schulnoten nebenher quasi in deiner Freizeit aufzubessern. Ansonsten kommt man aber auch schon mit einem freundlichen Lächeln und einem „Je ne comprends pas“ sehr weit. Es ist auch nicht schlimm, wenn du nicht immer mitfahren kannst, solange es genug andere Teilnehmer gibt.
Es wäre aber schön, wenn du engagiert teilnehmen würdest und nicht nur allein wegen der „Party“ nach der Vorstellung mitfahren würdest. Durch ein motiviertes Mitwirken kannst du immerhin einen guten Teil zum Gelingen beitragen und vor allem auch würdig der Opfer des Ersten Weltkrieges gedenken.